Dreifaltigkeitssonntag C, 12. Juni 2022

„Im Namen des Volkes“, so wird in unserem Land Recht gesprochen und werden Urteile verkündet. Der Souverän ist es, in dessen Namen ein Urteilsspruch ergeht. In Monarchien mag das ein König oder Kaiser sein. Auf jeden Fall aber wird klargestellt, dass der Richter nicht in eigenem Namen handelt, sondern im Auftrag dessen, der die Gesetze gibt. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, so beginnen wir unsere Versammlungen und haben das auch heute ohne zu zögern getan. Dabei machen wir in der Regel das Kreuzzeichen. Diese Grußformel und das Kreuzzeichen sind Zeichen, die seit vielen Generationen Identität stiften.

An vielen Stellen begegnet uns diese Formel:

  • In der Taufe heißt es: N.N: ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
  • Beim Sakrament der Versöhnung lautet die Formel der Lossprechung: „So spreche ich dich los von deinen Sünden im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“
  • Bei der Eheschließung sprechen die Partner: „Trag diesen Ring als Zeichen unserer Liebe und Treue, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“
  • Viele Segensformeln enden mit diesem Satz: „So segne dich der lebendige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.“

Am Ende des Matthäusevangeliums taucht dieser Satz zum ersten Mal auf und findet von dort Eingang in die Liturgie der jungen christlichen Gemeinde und des christlichen Zusammenlebens. Es ist gewissermaßen das Vorzeichen, das den Charakter der ganzen Handlung prägt. Wir sind nicht versammelt im Namen des Profits, auch nicht im Namen der höchsten Vernunft, auch nicht im Namen Putins, auch nicht im Namen des reinen Vergnügens, sondern im Namen des Gottes, wie wir ihn als Christen kennengelernt haben. Damit grenzen wir uns ab von allen möglichen Götzen und selbsternannten Göttern. Wir beschreiben damit unsere Identität.

Das hört sich so einfach an. Versuchen Sie mal. Ihre Identität zu beschreiben! Wer sind Sie wirklich? Was macht ihre Person aus? In Todesanzeigen kann man manchmal den Eindruck haben, wir Menschen seien so einfach gestrickt: Eine „liebe, treusorgende Mutter“ ist das gestorben. Wo bleibt in dieser Kurzbeschreibung ihre Verzweiflung, ihre Ohnmacht oder ihr herrisches Wesen? Wo bleiben ihre Leidenschaft und ihre Wutausbrüche?

Und schauen wir auf uns selber. Welche Seite zeigen wir den anderen? Worauf sind wir stolz bei uns? Und was verstecken wir und wofür schämen wir uns? Und was ist nur Fassade und wo liegt unser Grund, auf dem wir stehen? Es sind ganz viele Energien, die wir in uns tragen, weil unser menschliches Leben so unendlich reich ist. Manches dabei passt zusammen und anders wiederum scheint nicht dazu zu passen. Wir Menschen sind schon kompliziert und unser Wesen ist vielschichtig.

Und warum soll das mit Gott anders sein, wenn wir sein Ebenbild sind. Dann ist er (oder sie) genauso kompliziert und vielschichtig. Er erscheint uns manchmal genauso widersprüchlich wie unsere Politiker oder wie wir selbst. Mal ist er der allmächtige Schöpfer der Welt, dann der ohnmächtige Verbrecher am Kreuz. Mal ist er der großartige Tröster, der den Elija versorgt, mal der kleine Säugling, der Windeln braucht. Mal ist er der große Kämpfer, der den Menschen Schrecken einjagt, und mal ist er derjenige, der seine Gefolgsleute begeistert und ihnen alle Angst nimmt.

Wenn wir von Gott reden, dann machen wir es uns nicht einfach. Wir können ihn nicht reduzieren auf eine Kinderformel ‚der liebe Gott im Himmel’. Damit machen wir uns lächerlich. Wir haben alle unsere Geschichte mit ihm, eine Beziehung. Und diese Beziehung verändert sich, so wie sich Beziehung zweier Eheleute etwa verändert. Meine Beziehung zu Gott hat sich im Laufe des Lebens immer wieder geändert, so wie sich die Lebensumstände und die Lebensfragen verändert haben. So ist Gott fremd und vertraut, weit weg und doch zugänglich, mit männlichen Zügen und weiblichem Gesicht, ein Fragezeichen und ein Buch mit 7 Siegeln und doch ein Gegenüber, das ich ansprechen kann.

Wenn wir Gott den dreifaltigen nennen, ihn als Vater, Sohn und Geist ansprechen, dann wird uns ein Stück Identität im Glauben gegeben, wir sind sicher, wohin wir gehören. Gleichzeitig aber werden wir verunsichert, weil dieser dreifaltige Gott so unendlich vielschichtig und vielfältig ist, dass es uns häufig genug die Sprache verschlägt.

Reinhard Bürger