Weihnachten A, 24.12.2022
Wenn ich anfange, ein Buch zu lesen, spüre ich manchmal nach einigen Seiten, dass mich der Inhalt nicht anspricht und mich nicht interesseiert. Dann klappe ich das Buch zu und entsorge es irgendwie. Wenn mich dagegen der Inhalt anspricht, dann nutze ich jede Gelegenheit, um darin zu lesen: abends zu Hause, in der U-Bahn, im Wartezimmer des Arztes, im Urlaub. Der Inhalt des Buches hat mein Interesse geweckt. Das lateinische Wort Inter-esse heißt – wenn es wörtlich übersetzt: Dazwischen-Sein. Es ist mehr als ein oberflächliches ‚Intresse‘, wie es in unserem Sprachgebrauch manchmal benutzt wird. Jaja, ich hab Intresse daran. Dazwischen sein ist mehr, ist intensiver, erfordert den ganzen Menschen und nicht nur einen Zuschauer, der am Rande steht. Interesse – dazwischen -Sein – erfordert den ganzen Menschen, der mit Leib und Seele dabei ist und teilnimmt. Wer an Sport wirklich Interesse hat, der guckt sich nicht nur im Fernseher die Sportübertragung an, sondern tritt ein in einen Sportverein, zahlt seinen Beitrag und trainiert und spielt aktiv mit.
Weihnachten ist das Fest, an dem das Interesse Gottes am Menschen gefeiert wird. Gott will dazwischen sein, mitmachen, in Beziehung treten, nicht nur zuschauen und belehren. Er stellt sich auf eine Ebene mit den Menschen. Sie sind ihm nicht egal. Er will nicht von oben herab kommunizieren, sondern von Mensch zu Mensch, auf Augenhöhe. Deshalb sind die Hirten so wichtig, sie repräsentieren die Menschen in ihrem Alltag und sie zeigen, dass es durchaus möglich ist, dass Menschen bei ihrer täglichen Berufsausübung durchaus in der Lage sind, die weihnachtliche Botschaft vom Frieden und von der Ehre Gottes zu vernehmen. Gott als einer der Menschen. Gott als einer, der es mit kranken und behinderten Menschen zu tun bekommt, als einer, der es mit Arm und Reich zu tun hat, als einer, mit den Bescheidenen und Arroganten aufnimmt, der sich weder vor den Anständigen fürchtet noch vor den Randständigen Angst hat. Gott hat Inter-Esse an allen.
Deshalb feiern wir Weihnachten. Und deshalb ist es auch richtig, dass wir an Weihnachten selbst aufmerksamer als sonst sind, was unsere menschlichen Beziehungen angeht. Betriebe gönnen sich eine Auszeit und feiern miteinander, Familien treffen sich und nehmen sich Zeit füreinander. Viele überlegen, welche Menschen ihnen wichtig sind und schreiben einen Gruß oder schicken eine WhatsApp. So bleibt das Versprechen Gottes kein hohles Wort, sondern wird Wirklichkeit. Aus dem gesprochenen Wort wird Leben.
Die Weihnachtsgeschichte hat zwei Teile: die Erzählungen von Betlehem, von der Futterkrippe, den Engeln und den Hirten und den Sterndeutern aus dem Osten. Diese Geschichten sind uns vertraut und werden in den Weihnachtskrippen dargestellt.
Der zweite Teil der Weihnachtsgeschichte wir vom Evangelisten Johannes erzählt: „das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ (Es wird morgen verlesen). Es ist mehr eine vertiefte Reflexion über das, was die Geburt Jesu an Bedeutung hat. Dabei geht es um das Wort Gottes, um die Idee. Oder um die Frage: Was hat Gott mit der Welt vor. Und die Antwort ist zunächst ganz leicht: das Licht kommt in die Welt und muss sich mit der Dunkelheit der Welt auseinandersetzen. Dieser Teil der Weihnachtsgeschichte ist niciht zu Ende, wenn die Krippen wieder eingelagert sind. Dieser Teil, wo es um Gottes Wort – Gottes Idee geht, ist aufschrieben. Es ist und gegenwärtig ständig – in diesem Buch. Hier ist Wort Gottes präsent, jeden Tag, nicht nur, wenn die Tannenbäume glänzen. Das Wort Gotte ist im Grunde eine Krippe für das ganze Jahr. Jeden Tag, wenn daraus vorgelesen wird, dürfen wir erfahren: Gott will dazwischen sein, hat Inter-Esse am Leben der Menschen- und das nicht nur zur Weihnachtszeit.
Reinhard Bürger