14. Sonntag im JK C, 3. Juli 2022

In der vergangenen Woche sorgte mal wieder ein kirchliches Thema für Schlagzeilen und Blätterrauschen im Zeitungswald: die erschreckend hohe Zahl an Kirchenaustritten. Über 360.000 waren es im vergangenen Jahr, so viele wie nie. Und die Kommentare dazu in den Leserbriefen waren alles andere als erfreulich. Viel Häme und Wut auf die Kirche waren da zu spüren.

Die Nachfolger der Jünger, die Jesus damals – wie wir heute im Evangelium gehört haben – aussandte, um Menschen für ihn und seine Botschaft zu gewinnen, machen heute offenbar keinen guten Job mehr. Statt Menschen zu Jesus, zu Gott zu führen, verschrecken sie sie eher und treiben sie fort. Aber, so fragte ich mich, wer sind denn eigentlich die Nachfolger der Jünger Jesu, nur „die da oben“? Und wenden sich die Menschen von Gott ab oder von der Institution? Und gibt es nicht auch noch andere Erfahrungen mit Kirche? Und schließlich: Warum bin ich selbst noch dabei?

Fangen wir mit der letzten Frage an. Dann klärt sich vielleicht auch schon die eine oder andere Frage gleich mit. Warum bin ich noch dabei? Na, wegen der Menschen, z. B. all der Menschen, die jetzt hier sitzen, um Gottesdienst zu feiern oder die sich in und für die Gemeinde engagieren. Ich bin noch dabei, weil es neben den vielen Dingen, die in der Organisation „Kirche“ skandalös sind und Menschen abschrecken, nach wie vor so viele überzeugte, überzeugende und engagierte Menschen gibt, für die und mit denen es sich lohnt, weiter am Reich Gottes zu arbeiten, wie Jesus es formulieren würde.

Da sind die vielen, die sich aufopferungsvoll um bestimmte Zielgruppen kümmern: Alte, Kinder, Jugendliche, Flüchtlinge etc. Da sind die vielen, die Not sehen und handeln – und das spürbar aus christlicher Überzeugung, z. B. in unseren Caritasgruppen. Und all diese sind auch Nachfolger der Jünger Jesu, auch sie sind Kirche und nicht nur die, die scharenweise die Menschen vertreiben und verschrecken, sondern jeder einzelne von uns – und das ist gut so und tut gut!

Und dann sind da immer noch Menschen, z. B. junge, die auf der Suche nach Sinn und mehr sind und sich bspw. zur Vorbereitung auf die Firmung anmelden (nicht wegen der Oma oder wegen der späteren kirchlichen Hochzeit), und ich glaube, es werden wieder jedes Jahr etwas mehr. Auch für die lohnt es sich, zu bleiben, denn die Menschen laufen ja nicht vor Gott oder Jesus weg, ja suchen und brauchen ihn immer noch – vielleicht gerade in diesen Zeiten besonders – wie wir es z. B. zu Beginn des Ukrainekrieges erlebt haben.

Der indische Jesuit Anthony de Mello musste sich von einem überzeugten Hindu, den er in Südindien getroffen hatte, sagen lassen: „Ihr Missionare werdet bei uns nie etwas ausrichten können, wenn ihr nicht als Gurus zu uns kommt.“ Gemeint hat er damit Menschen, die nicht bloß über das reden, was sie gelesen oder studiert haben, sondern bei denen man die eigenen religiösen Erfahrungen und Überzeugungen spürt. Es kommt darauf an, wie wir Christen handeln – und dass bei jedem Einzelnen, nicht nur denen „da oben“.

Wie die Botschaft Christi Wirkkraft bekommt, dazu finden wir auch Beispiele in der Apostelgeschichte: Im 4. Kapitel bspw. werden Petrus und Johannes vor den Hohen Rat geschleppt, weil sie am Tempeleingang einen Gelähmten geheilt haben. Erstaunlich gelassen führt Petrus seine Verteidigungsrede zu Ende mit den Worten: „Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben.“ Das persönlich Erlebte führte bei ihm zu einer Überzeugung, die keine Drohung hat stoppen können. Nicht das, was sie sich am Schreibtisch ausgedacht haben, kommt über ihre Lippen, sondern das, was sie persönlich zuinnerst getroffen hat. Und das macht sie  so sicher und glaubwürdig.

Und im heutigen Evangelium hören wir, dass Jesus den Jüngern nahelegt: Nehmt nichts mit auf den Weg. Nicht gesammeltes Wissen und nicht irgendwelche Absicherungen, um die Botschaft Jesu glaubhaft weiterzusagen, sondern nur das gelebte Beispiel. Die christlichen Botschafter sollen ihr Vertrauen nicht auf ihren Besitz, ihre Ausrüstung, ihr Wissen, ihre Rituale oder anderes setzen, sondern allein durch ihr Leben überzeugen. Das heutige Evangelium legt uns nahe: Nehmt nicht alles Mögliche mit, sondern bringt euch selbst mehr ins Spiel. Ähnlich wie der kritische Hindu, hinterfragen auch distanzierte Zeitgenossen uns, wieweit wir nur den Worten nach zu den Christen zählen, oder ob unsere gesamte Lebenshaltung und unsere Taten überzeugen.

Mutter Teresa sagte einmal: “Früher habe ich geglaubt, ich müsse die Menschen bekehren, jetzt weiß ich, ich muss lieben, und die Liebe bekehrt, wen sie will.“ Nur so, davon bin ich überzeugt, durch gelebte Liebe im Namen Jesu gelingt es, dass Suchende auch heute noch zu Christus finden. Da, wo im täglichen Leben erkennbar wird, was christlicher Glaube ist, finden die Menschen zum Glauben an Gott.

Und Gott sei Dank gibt es sie immer noch – auch hier – die überzeugten, überzeugenden und glaubwürdigen Zeugen, die die Botschaft Jesu leben. Und das hält die Kirche auch in Zukunft am Leben und mich in dieser Kirche!

 Amen!