Spirituelle Impulse

Die Kirche hat es in den letzten Tagen und Wochen wieder meisterlich verstanden, in die Schlagzeilen der Weltpresse zu kommen. Das Gutachten über Missbrauch in der Erzdiözese München hat auch den emeritierten Papst Benedikt in den Fokus der Meldungen gerückt und offenkundiges Fehlverhalten seinerseits ans Licht der Öffentlichkeit gebracht. Die nachfolgenden Entschuldigungen wirkten unbeholfen und für viele unglaubwürdig. Und nicht wenige – gerade treue Kirchenmitglieder – waren zu Recht zornig und verärgert. Ein souveräner Umgang mit berechtigten Vorwürfen sieht anders aus. Mir fiel dazu ein Pauluswort ein: „Gott hat euch nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben“ (2 Tim 1,7). „Wir sind an einem totalen Tiefpunkt angelangt“, so haben sich nicht wenige geäußert. Und die vergleichbaren Gutachten aus anderen Bistümern, auch aus unserem Bistum Paderborn, werden noch kommen.

Ein paar Tage später eine Fernsehsendung in der ARD: „Wie Gott uns schuf“. Mehr als 100 queere Menschen outen sich als schwul oder lesbisch, transgender… eben queer. Sie haben den Mut, sich zu ihrer sexuellen Identität zu bekennen und von Diskriminierungen zu erzählen, denen sie in einem katholisch-kirchlichen Arbeitsfeld ausgesetzt sind. Es sind Priester, Ordensleute, Erzieherinnen, Religionslehrer, Gemeindereferentinnen… Zu einem solchen Schritt gehört viel Mut, weil immer noch berufliche Sanktionen drohen. Aber dieser mutige Schritt hat sie persönlich nach vorn gebracht und ihnen eine neue innere Freiheit geschenkt. Sie können jetzt so leben, wie es ihrer Natur entspricht. Sie können sich zu dem Menschen bekennen, den sie lieben. Paulus nennt das in gleichem Atemzug den Geist der Kraft, der Liebe, der Besonnenheit.

Wir erleben beides gleichzeitig: verzagtes Gestammel und kraftvolles Bekenntnis. Ich empfand die Fernsehsendung als ein sehr ermutigendes Zeichen, weil Menschen aus der Kraft ihres Glaubens aufgestanden sind und über sich gesprochen haben. Viele von ihnen haben deutlich gemacht, dass sie in der Kirche leben und arbeiten wollen und dass ihnen die Botschaft des Glaubens viel bedeutet. Auf einem so wankenden Kirchenschiff, in solch stürmischen Zeiten brauchen wir solche Menschen. Respekt!

Reinhard Bürger