Fastenzeit! Als Kind hieß das für mich – und vermutlich viele andere meiner Generation – Verzicht auf Süßes oder Fernsehen oder beides. Und das sechs Wochen lang. Für mich als Kind bekam die Fastenzeit dadurch den Charakter einer Zeit der Entbehrung. Und als Kind verstand ich den Sinn dieses mir auferlegten Verzichtes auch nicht so ganz.
Inzwischen habe ich gelernt und erkannt, dass die Fastenzeit mehr sein kann als eine Zeit des Verzichtens. Fastenzeit will und kann mir Freiräume verschaffen oder, wie es bei der diesjährigen Aktion „Sieben Wochen ohne“ heißt, Spielräume verschaffen. Durch Änderungen meiner Sicht- und Lebensweise – und dazu kann auch der Verzicht auf etwas gehören – gewinne ich Raum zur Entfaltung, zur Weiterentwicklung, zur Besinnung auf das, was im Leben wirklich zählt. Diese geprägte Zeit kann mich aus der Enge meiner festgefahrenen Gewohnheiten herausführen und mich erkennen lassen: „Es geht! Anders!“ So lautet das Motto der diesjährigen Misereor-Fastenaktion und bezieht sich nicht nur auf einen anderen Umgang mit den Menschen in Afrika, Lateinamerika oder Asien, sondern darauf, dass durch den Wandel unseres Lebensstiles eine andere Welt und ein besseres Leben für alle möglich wird.
Fastenzeit ist also eine Zeit, die uns u.a. wachrütteln will. Es ist eine Zeit, in der ich durch ein bewussteres Leben meine Sichtweisen ändern kann und damit wieder Lichtblicke und Hoffnungsschimmer entdecke, die ich vorher so vielleicht nicht gesehen habe. Diese Lichtblicke (wieder) zu sehen hilft uns auch, uns auf das große Fest, an dem wir den Sieg des Lichtes über das Dunkel des Todes feiern, vorzubereiten.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine gute Fastenzeit mit vielen Lichtblicken und Hoffnungsschimmern, die uns helfen zu sehen, was das Leben eigentlich ausmacht, und dass am Ende der Sieg des Lebens steht.
Manfred Morfeld