Wenn wir tiefe und erfüllende Freundschaften pflegen, haben wir das Gefühl, dass unser Gegenüber uns wirklich kennt. Dieses „Kennen“ entsteht, weil wir spüren, dass der andere versteht, wie wir uns fühlen. Wenn wir ihm oder ihr etwas anvertrauen, versteht er oder sie nicht nur, was wir sagen – wir haben auch das Gefühl, dass er oder sie mitfühlt. So erfahren wir nicht nur ein kognitives, sondern auch ein emotionales Verstandenwerden.

Zudem teilen wir mit unseren Liebsten Erfahrungen, blicken auf gemeinsam Erlebtes zurück, kennen die Situationen, in denen wir dieselben Gefühle teilten – und fühlen uns dadurch einander unendlich nah.

Hierin liegt der Grund, warum Gott Mensch werden wollte. In seinem Wunsch, uns immer näher zu kommen und seine Liebe zu uns auszudrücken, musste er Mensch werden, um alles Menschliche mit uns zu erfahren. So ist ihm nichts in unserem Leben mehr fremd, und er kann jedem seiner geliebten Kinder sagen: „Ich verstehe dich! Auch mir ist dein Gefühl nicht fremd.“

Ein existenzielles Gefühl, das jeder Mensch kennt – auch wenn er es nicht wahrhaben will – ist das Gefühl der Angewiesenheit. Wir Menschen sind auf Liebe angewiesen. Seit unseren ersten Atemzügen sind wir auf die Liebe unserer Eltern angewiesen. Selbst Gott macht diese Erfahrung: Jesus hätte keine Nacht überlebt, wären da nicht Maria und Josef gewesen, die ihn in Windeln wickelten, ihm Wärme und Liebe schenkten und ihn nährten.

Und auch wenn wir erwachsen sind und es uns oft nicht eingestehen wollen: Auch dann sind wir angewiesen – auf ein Gegenüber, auf Menschen, die uns lieben und uns in unseren schwachen Momenten stärken. Und am Ende unseres Lebens sind wir wieder auf Liebe angewiesen.

Wir sind Angewiesene – Angewiesene auf ein Gegenüber. Da ist ein Gott, der immer unser Gegenüber sein will und uns in unseren schwachen Momenten stärken möchte.

Wir sind Angewiesene, auch wenn wir miteinander Kirche gestalten wollen. Das geht nicht allein. Wir sind Angewiesene, wenn wir aufgrund unseres Glaubens in dieser Gesellschaft wirken wollen.

Welche Botschaft, welchen Dienst braucht die Gesellschaft heute von uns Christinnen und Christen? Und was brauchen wir, damit wir diesen Dienst tun können?

Was brauchen wir miteinander, damit wir heute gemeinsam feiern, einander vertrauen und füreinander sorgen können? Besonders die nachfolgende Generation ist auf uns angewiesen: Was müssen wir heute als Kirche tun, damit sich „Mutter Kirche“ auch morgen noch um Menschen kümmern kann?

Egal, ob es um kirchenpolitische Themen geht oder um das Weihnachtsessen in der Familie: Wir sind darauf angewiesen, dass es ein Gegenüber gibt, das mit uns und für uns sorgt – dass Liebe wirkt und geschenkt wird. Vorbehalte, Angst, Rückzug, Missgunst und „Nicht-verstehen-Wollen“ beenden Beziehungen.

Lasst uns Weihnachten feiern in dem Wissen, dass wir aufeinander angewiesen sind und einander Zuwendung schenken müssen – so, wie es Maria und Josef taten und wie es uns Gott in Jesus zurückschenkt.

Ihnen und Ihren Liebsten wünsche ich im Namen des gesamten Pastoralteams und des GPGR-Vorstandes einen gesegneten Advent und ein frohes Weihnachtsfest!