14. Sonntag im Jahreskreis B, 4. 7. 2021

Seit fast zwei Jahren gibt es bei uns in der deutschen Kirche den sogenannten ‚Synodalen Weg‘, wesentlich initiiert vom damaligen Vorsitzenden der dt. Bischofskonferenz Reinhard Marx, bei uns in Dortmund kein Unbekannter, und dem Vorsitzenden des Zentralkomitees der Katholiken Thomas Sternberg. Sie hatten sehr hellsichtig erkannt, dass die Kirche bei uns an einem Punkt angekommen ist, wo dringender Gesprächsbedarf unter den verschiedenen Amtsträgern, Gremien, Gemeinden besteht, befeuert wurde das Ganze durch die unsägliche Missbrauchsgeschichte. Von römischen Instanzen zunächst kritisch gesehen, hat inzwischen aber auch der Papst für die gesamte Kirche so etwas wie einen synodalen Weg angestoßen. Er scheint ebenfalls zu spüren, wie dringend notwendig es ist, miteinander zu reden – auf Augenhöhe.

Verordnungen, Vorschriften, einsame Entscheidungen, römische Dekrete finden oft kein Echo mehr unter den Gläubigen. Die Christen, die in demokratischen Strukturen leben, sind es gewohnt, über ihr Leben selbst zu entscheiden. Sie werden unruhig, wenn ihnen die Politik etwas vorschreiben will, was sie nicht nachvollziehen können. Das haben wir in den Monaten der Pandemie sehr deutlich gesehen. Und was für die Politik gilt, kann ich auch auf die Kirche übertragen. Ich kann mein Selbstverständnis als mündiger Staatsbürger nicht an der Kirchentüre abgeben. Somit bin ich auch als Christ herausgefordert, meine Meinung zu bilden und zu sagen, nicht nur in organisatorischen Fragen, sondern auch in elementaren Glaubensfragen. Und was für die Weltkirche gilt und die Kirche in Deutschland, das gilt auch für die Kirche auf der Ortsebene, also konkret hier bei uns im Pastoralen Raum Dortmund-Nordost: Wir müssen reden!

Ermutigt werde ich dazu durch ein Wort aus der Lesung, die vom Propheten Ezechiel erzählt. Da heißt es ganz am Anfang des Buches: „Stell dich auf deine Füße, Menschensohn; ich will mit dir reden.“ So spricht Gott mit seinem Propheten: sie stehen sich auf Augenhöhe gegenüber, face to face – und es ist der Geist Gottes, der stark macht und der dem Menschen den aufrechten Gang ermöglicht. Unter diesem Vorzeichen steht die Sendung des alttestamentlichen Propheten und ich finde, sie ist auch heute angebracht. Die äußere Haltung ist ein sichtbares Zeichen für eine innere Haltung. Und dieser Gott, der zum Propheten spricht, ist offensichtlich einer, dessen Wesen es ist, mit dem Menschen zu kommunizieren.

In dieser Linie sehe ich auch heute die Bemühungen, ins Gespräch zu kommen. Das Volk Gottes ist im Dialog mit Gott und untereinander. Im Gespräch zu sein ist ein Wesensmerkmal des Volkes Gottes. Im Gespräch kommen die unterschiedlichen Begabungen, Fähigkeiten, Charismen zur Geltung. Im Dialog kann man sich reiben, sich ergänzen, sich fetzen, Kompromisse schließen. Und im Idealfall werden die Entscheidungen dann von den Beteiligten mitgetragen.

Kirche ist ihrem Wesen nach dialogisch. Kirche ist kein Monolog. Und der Geist Gottes wirkt in jedem, der dazugehört, Im Kind und im alten Menschen, In Männern und in Frauen, in Amtsträgern und in ehrenamtlichen Mitarbeitenden, in gelegentlichen Besuchern und in den heftig Engagierten. Deshalb gibt es auch sehr unterschiedlichen Erwartungen an das, was zu laufen hat. Wir erleben das jedes Jahr aufs Neue, etwa wenn es um die Gestaltung der Erstkommunion geht: Wir müssen reden. Das kann manchmal sehr anstrengend sein. Hören, zuhören, den anderen verstehen, die Geschwindigkeit drosseln, damit auch möglichst viele mitkommen können, und auch mal verlieren können.

Wir haben und konkrete Gremien geschaffen, wo wir miteinander reden: Pfarrgemeinderat, Gemeindeausschüsse, Kirchenvorstände. Hier werden Formate entwickelt, um miteinander zu reden, auf Augenhöhe, aufrecht. Manchmal ist das sehr anstrengend, auch frustrierend, aber es ist ein Weg, um zu reden. Und dabei geht es nicht nur um die Frage, wann wir etwa ein Gemeindefest feiern, sondern es geht in dieser Kommunikation darum, dass jeder Beteiligte sich mit seinen Fähigkeiten und Charismen einbringen kann, oder theologisch gesagt: seine Berufung finden und leben kann. Es geht nicht so sehr darum, einen Betrieb am Laufen zu halten, sondern Christsein in unserer heutigen Welt und unter heutigen Bedingungen zu verwirklichen.

Wir werden im November wieder zu Wahlen zum Pfarrgemeinderat, den Gemeindeausschüssen und zum Kirchenvorstand einladen. Es wird nicht einfach sein, Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, weil oft zu sehr auch die Belastung gesehen wird, die damit verbunden ist. Ich lade ein, heute schon auch die Chancen zu sehen, die damit verbunden sind, nämlich eine Kirche zu sein, die im Dialog ist.

Reinhard Bürger