Aufgrund des Missbrauchsgutachtens von München – Freising, sowie der beispiellosen Coming-out Kampagne von Mitarbeiter*innen in Dienst der Katholischen Kirche, hatte der Gemeindeausschuss der St. Johannes Baptista Gemeinde in seiner Sitzung am 25.1.2022 beschlossen, die Gottesdienste am 5. und 6.2.2022 thematisch zu diesen Themen zu gestalten. Bereits während der Sitzung war klar geworden, dass die Mitarbeiter frustriert, wütend und damit einhergehend demotiviert sind. Es gab und gibt immer noch keine ehrliche Entschuldigung der Täter an die Opfer. Bei der Überlegung, wie mit diesem Frust umgegangen werden kann, kam die Idee auf, sich mittels der Frage „Was macht DAS mit mir?“ alles von der Seele zu schreiben. Dies sollte aber nicht nur innerhalb des Gemeindeausschusses geschehen, sondern die gesamte Gemeinde sollte mit einbezogen werden. Und so wurden die Gottesdienstbesucher am 5. und 6.2.2022 gebeten, nachdem sie im Vorfeld bereits informiert worden waren, ihre Gefühle niederzuschreiben.
Dazu gibt es zahlreiche Rückmeldungen in Form von kleinen Briefen, wenigen Sätzen oder auch nur einzelnen Worten. Der Bedarf, sich zu diesen Themen zu äußern, ist groß.
Da sind zunächst einmal Wut, Trauer und Fassungslosigkeit. „Einfach ohne Worte“ steht auf einem Zettel. Fragen nach den Opfern, die viel zu wenig gehört werden. „Es wird über sie, aber nicht mit ihnen gesprochen“! „Keine ehrlichen Entschuldigungen“! Gefordert wird immer wieder eine unabhängige Aufklärungskommission und damit verbunden die Neustrukturierung der Kirche. Ein Mittel, der Synodale Weg. Viele machen einen großen Unterschied zwischen der Amtskirche und der Kirche vor Ort. Die Heimatkirche dient als Orientierungspunkt. Darum „bleibt man dabei“, denn hier „weht der gute Geist“. Daher werden auch nur selten Austrittsüberlegungen geäußert.
Natürlich gibt es auch einige, wenige Bemerkungen mit dem Tenor „Missbrauch passiert überall“.
Diese Aktion hat uns sehr deutlich gemacht, dass die Themen Missbrauch und Coming-out die Menschen in unseren Kirchen sehr bewegen. Nicht ohne Grund treten zurzeit so viele Menschen aus der Kirche aus. Nicht vergessen dürfen wir, dass unter anderem auch das Missbrauchsgutachten unseres Erzbistums noch aussteht. Da ist der Einzelne dann vielleicht nochmal mehr betroffen. Die Thematik wird uns also noch lange begleiten. Deshalb müssen wir mit ihr in unseren Gemeinden offensiv umgehen, damit alle sehen, wie sehr jede, jeder Einzelne von uns betroffen ist. Da liegt noch ein langer, steiniger Weg vor uns. Aber eins ist sicher: wenn alle aus der Kirche austreten, wer soll sie dann noch verändern?
Martina Rohrbeck